Lieber Leser, auf diesem Blog mache ich für ein paar Tage Pause. Ich empfehle Ihnen zwischenzeitlich Ebmeiers Umtriebe.
Jochen Ebmeier
Lieber Leser, auf diesem Blog mache ich für ein paar Tage Pause. Ich empfehle Ihnen zwischenzeitlich Ebmeiers Umtriebe.
Jochen Ebmeier
Hans Vaihinger hatte ganz Recht: Als ob ist der Schlüssel zu unserer geistigen Existenz.
Die Dinge der Welt haben zwei Seiten. Die eine ist: wie sie erscheinen. Das ist alles, was unsere fünf Sinne über sie berichten können. Das haben sie 'an sich'.
Freilich erscheinen sie nur einem oder einem andern. Aber für die, denen sie erscheinen, haben sie auch noch eine Bedeutung. Die haben sie nicht an sich, sondern nur für solche, in deren Leben sie vorkommen; alias erscheinen. Und die müssen mit ihnen, sobald sie erscheinen, "was anfangen". Das, was sie mit ihnen anfangen könnten, ist das, was sie - für sie - bedeuten.
Insofern haben sie für jedes Lebewesen eine Bedeutung, das ihnen begegnet. Allerdings - nur wir Menschen wissen davon. Darum haben wir uns aus den Bedeutungen Begriffe gebildet. Die haben sich im Laufe der Generationen so gut bewährt, dass sie uns in der Vorstellung so erscheinen mögen, als ob sie die Dinge selber wären - und nicht bloß, was sie bedeuten.
Durch unsere Begriffe können wir über die Dinge reden. Das ist ein Sachverhalt, der jemandem erscheinen könnte. Auch über ihn können wir reden. Er ist real, aber sozu-sagen 'in höherer Bedeutung'.
Bei der Erinnerung ist es einfach: Ich habe was einmal angeschaut, und in meinem Ge-dächtnis wiederhole ich es so, als ob es eben jetzt geschähe.
Aber ich kann mir manche Sachen vorstellen, die nie zu sehen waren und sich womöglich nie ereignet haben. Dann 'mache ich mir ein Bild' und 'bilde mir etwas ein'. Das kann ich, das kann jeder, und kann mir keiner bestreiten. Aber dieses Bild habe ich ipso facto ge-danklich in das Kontinuum von Raum und Zeit eingesetzt, in dem sie hätten erscheinen müssen, wenn ich sie wirklich anschauen konnte. Das, und nichts anderes, ist der Unter-schied zwischen Einbildung und Wirklichkeit, oder sagen wir genauer: zwischen Mögli-chem und Unmöglichen.
Wie ist es mit den Begriffen? Ein Begriff ist ein bestimmtes Bild: nicht bloß anschaubar, sondern mit einem Zeichen versehen, das es von allen andern unterscheidet und als dieses eine ausweist. Man kann es im Gedächtnis unter manchen gleichartigen Begriffen so ein-ordnen, dass mich der eine an die andern weiterweist und ich in der Regel alles wiederfin-de, woran ich mich irgendwie erinnere.
Kann ich sie anschauen als-ob? Wenn ich mein Gedächtnis sehr anstrenge und mich von den dabei unweigerlich auftauchenden andern Bilder nicht ablenken, sondern stattdessen weiterweisen lasse, dann vielleicht.
Dafür habe ich mir die Mühe des 'Begreifens' aber nicht gemacht, sondern um mir die Arbeit des allfälligen Suchens und Ein-Bildens zu ersparen, indem ich die Zeichen so ver-wende, als ob mir die dazugehörige Anschauung jedesmal vor Augen stünde. Das darf ich, weil ich weiß, dass das Ensemble aller meiner Begriffe und dazugehörigen Vorstellun-gen nicht bloß mein Privatbesitz sind, sondern Bestandteil einer umfassender Gesamtheit, eines Systems von sinnhaften Bezügen von Zeichen und Bildern sind, das vorangegange-ne Generationen über Jahrtausende angeschatzt, aktualisiert und uns überliefert hat. Wir alle, die wir uns einander durch Vernunft verbunden wissen, bedienen uns seiner mit Er-folg - und wo immer Unstimmigkeiten auftreten, versuchen wir, sie mit- und auch mal gegeneinander zu überwinden.
Das ist so banal, dass man es kaum aussprechen mag.
Nein - das ist es eben nicht; sondern ein Wette, die Tag für Tag tausendmal individuell verlorengeht und die Gattung doch unterm Strich tagtäglich Schritt für Schritt voran-bringt. Eigentlich ist es kühn, dass wir uns beinahe blind und höchstens mit gelegent-lichem Brauchgrimmen auf so ein Risiko einlassen. Die Jungen tun es ganz unbefangen, erst die Älteren zucken resigniert mit den Achseln, doch je älter sie werden, desto weniger werden sie auch.
Als ob wir tragische Helden wären.
Vernunft im Gebrauch eines reellen Subjekt in Raum und Zeit - eines wie du und ich - ist nicht positiv und zeigt uns an, was sein soll; sondern ist kritisch und scheidet aus, was nicht zu rechtfertigen ist.
Vieles, was sein solle, wird allezeit vorgeschlagen. Daran war noch nie ein Mangel. War die Aufgabe stets, auszuwählen, was das beste wäre? Oder nicht vielmehr die, auszuscheiden, was überhaupt nicht in Frage kommt! Das ist der Unterschied zwischen einem kumulati-ven Konsens, der auf Launen und Zufällen beruht und allezeit wanken kann, und der pragmatischen Reduktion im allgemeinen Verkehr, wo überdauert, was sich nicht weiter reduzieren lässt. Das ist Kritik, nämlich wissenschaftliche Überprüfung, deren Grundlage Öffentlichkeit ist und nicht die vorgängige Sympathie derer, die sich sowieso nahestehen.
Das vernünftige Verfahren ist das universale Reinigungsmittel, Kathartikon, das hinweg-schwemmt, was nicht zu brauchen war. Danach kann man sich den kumulierten Vorlieben der einen und der andern zuwenden. Notfalls kommt das Reinigungsmittel erneut zur An-wendung.
zu Wissenschaftslehre - die fast vollendete Vernunftkritik Ein Begriff, der uns in die intelli...