§ 3. Dritter, seiner Form nach bedingter Grundsatz. zu Philosophierungen
[105] Mit jedem Schritte, den wir in unserer Wissenschaft vorwärts thun, nähern wir uns dem Gebiete, in welchem sich alles erweisen lässt. Im ersten Grundsatze sollte und konn-te gar nichts erwiesen werden; er war der Form sowohl als dem Gehalte nach unbedingt, und ohne irgend einen höheren Grund gewiss. Im zweiten liess zwar die Handlung des Entgegensetzen, sich nicht ableiten; wurde aber nur sie ihrer blossen Form nach unbe-dingt gesetzt, so war streng erweislich, dass das Entgegengesetzte = Nicht-Ich sein müss-te. Der dritte ist fast durchgängig eines Beweises fähig, weil er nicht, wie der zweite dem Gehalte, sondern vielmehr der Form nach, und nicht wie jener, von Einem, sondern von Zwei Sätzen bestimmt wird.
Er wird der Form nach bestimmt, und ist bloss dem Gehalte nach unbedingt – heisst: die Aufgabe für die Handlung, die durch ihn aufgestellt wird, ist bestimmt durch die vor-hergehenden zwei Sätze gegeben, nicht aber die Lösung[105] derselben. Die letztere ge-schieht unbedingt und schlechthin durch einen Machtspruch der Vernunft.
Wir heben demnach mit einer Deduction an, und gehen mit ihr, so weit wir können. Die Unmöglichkeit sie fortzusetzen wird uns ohne Zweifel zeigen, wo wir sie abzubrechen, und uns auf jenen unbedingten Machtspruch der Vernunft, der sich aus der Aufgabe ergeben wird, zu berufen haben.
1) Insofern das Nicht-Ich gesetzt ist, ist das Ich nicht gesetzt; denn durch das Nicht-Ich wird das Ich völlig aufgehoben.
Nun ist das Nicht-Ich im Ich gesetzt: denn es ist entgegengesetzte aber alles Entgegenset-zen setzt die Identität des Ich, in welchem gesetzt, und dem gesetzten entgegengesetzt wird, voraus.
Mithin ist das Ich im Ich nicht gesetzt, insofern das Nicht-Ich darin gesetzt ist.
2) Aber das Nicht-Ich kann nur insofern gesetzt werden, inwiefern im Ich (in dem identi-schen Bewusstseyn) ein Ich gesetzt ist, dem es entgegengesetzt werden kann.
Nun soll das Nicht-Ich im identischen Bewusstseyn gesetzt werden. Mithin muss in dem-selben, insofern das Nicht – Ich gesetzt seyn soll, auch das Ich gesetzt seyn.
3) Beide Schlussfolgen sind sich entgegengesetzt: beide sind aus dem zweiten Grundsatze durch eine Analyse entwickelt, und mithin liegen beide in ihm. Also ist der zweite Grund-satz sich selbst entgegengesetzt, und hebt sich selbst auf.
4) Aber er hebt sich selbst nur insofern auf, inwiefern das gesetzte durch das entgegenge-setzte aufgehoben wird, mithin, inwiefern er selbst Gültigkeit hat. Nun soll er durch sich selbst aufgehoben seyn, und keine Gültigkeit haben.
Mithin hebt er sich nicht auf.
Der zweite Grundsatz hebt sich auf; und er hebt sich auch nicht auf.[106]
5) Wenn es sich mit dem zweiten Grundsatze so verhält, so verhält es sich auch mit dem ersten nicht anders Er hebt sich selbst auf, und hebt sich auch nicht auf. Denn ist Ich = Ich, so ist alles gesetzt, was im Ich gesetzt ist.
Nun soll der zweite Grundsatz im Ich gesetzt seyn, und auch nicht im Ich gesetzt seyn.
Mithin ist Ich nicht Ich, sondern Ich = Nicht-Ich, und Nicht-Ich = Ich.
Nun ist das Nicht-Ich im Ich gesetzt: denn es ist entgegengesetzte aber alles Entgegenset-zen setzt die Identität des Ich, in welchem gesetzt, und dem gesetzten entgegengesetzt wird, voraus.
Mithin ist das Ich im Ich nicht gesetzt, insofern das Nicht-Ich darin gesetzt ist.
2) Aber das Nicht-Ich kann nur insofern gesetzt werden, inwiefern im Ich (in dem identi-schen Bewusstseyn) ein Ich gesetzt ist, dem es entgegengesetzt werden kann.
Nun soll das Nicht-Ich im identischen Bewusstseyn gesetzt werden. Mithin muss in dem-selben, insofern das Nicht – Ich gesetzt seyn soll, auch das Ich gesetzt seyn.
3) Beide Schlussfolgen sind sich entgegengesetzt: beide sind aus dem zweiten Grundsatze durch eine Analyse entwickelt, und mithin liegen beide in ihm. Also ist der zweite Grund-satz sich selbst entgegengesetzt, und hebt sich selbst auf.
4) Aber er hebt sich selbst nur insofern auf, inwiefern das gesetzte durch das entgegenge-setzte aufgehoben wird, mithin, inwiefern er selbst Gültigkeit hat. Nun soll er durch sich selbst aufgehoben seyn, und keine Gültigkeit haben.
Mithin hebt er sich nicht auf.
Der zweite Grundsatz hebt sich auf; und er hebt sich auch nicht auf.[106]
5) Wenn es sich mit dem zweiten Grundsatze so verhält, so verhält es sich auch mit dem ersten nicht anders Er hebt sich selbst auf, und hebt sich auch nicht auf. Denn ist Ich = Ich, so ist alles gesetzt, was im Ich gesetzt ist.
Nun soll der zweite Grundsatz im Ich gesetzt seyn, und auch nicht im Ich gesetzt seyn.
Mithin ist Ich nicht Ich, sondern Ich = Nicht-Ich, und Nicht-Ich = Ich.
Quelle: J. G. Fichte, Grundlage der gesammten Wissenschaftslehre in: Johann Gottlieb Fichtes sämmtliche Werke. Band 1, Berlin 1845/1846,
Nota. - Ich denke, ich höre hier mit der Wiedergabe auf. Es ist mühselig genug, der Argu-mentation überhaupt zu folgen. Ob sie beweisen kann, was sie beweisen soll, verlangt nach einer eigenen Untersuchung. Und immer auf das Risiko hin, schließlich doch an die Fertigstellung des Gesamtsystems verwiesen zu werden.
Man versteht, wie Kant sagen konnte, die Wissenschaftslehre sei "bloße Logik" - ohne sich aber gehalten zu fühlen, näher auf sie einzugehen. Von der Darstellung nova metho-do, in der Vorstellungen aus der Vorstellung von Aufgaben entwickelt werden, konnte er nicht kennen. Sie und ich aber können es - damit sind wir reichlich bedient. Der Versuch, sie aus bloßen Begriffen zu konstruieren, von denen zum gegebenen Zeitpunkt noch gar nicht gesagt werden kann, woher sie kommen, führt zu einer Hirnverrenkung, die nicht nur unangenehm ist, sondern auch keinerlei zusätzliche Erkenntnis beschert. Es ist schon richtig: Die Transzendentalphilosophie beginnt nicht mit einem oder gar drei ersonnenen Grundsätzen, sondern mit einem Postulat: Aufforderung und Anleitung zum Selbsthan-deln.
JE
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