Dienstag, 20. September 2022

Anschaulich wird die Idee nur als Suche.

Angelika Schramm, pixelio.de                              zu Philosophierungen

Der Begriff des Ideals ist eine Idee. Sie ist ein Begriff von etwas, das gar nicht begriffen werden kann; z. B. der Begriff von der Unendlichkeit des Raums. Dies scheint ein Wider-spruch zu sein, welcher so gelöst wird: Vom Objekte ist kein Begriff möglich, aber von der Regel, nach welcher es durch ein Fortschreiten ins Unendliche hervorgebracht werden müsste, z. B. der unendliche Raum; jeder Raum, der aufgefasst wird, ist endlich, wir geben daher nur acht, wie wir es machen würden, wenn wir den unendlichen Raum auffassen wollten. Man denkt sich die Regel weg, so bleibt das Suchen übrig, und das ist das Objekt der Anschauung, von der hier geredet wird.
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J. G. Fichte, Wissenschaftslehre nova methodo, Hamburg 1982, S. 84


Nota I. - "... eine bloße Idee, deren objektive Realität auf keine Weise nach Naturgesetzen, mithin auch nicht in irgend einer möglichen Erfahrung, dargetan werden kann, die also darum, weil ihr selbst niemals nach irgend einer Analogie ein Beispiel untergelegt werden mag, niemals begriffen, oder auch nur eingesehen werden kann. Sie gilt nur als notwendi-ge Voraussetzung der Vernunft", hieß es bei Kant.* Eine Fiktion, in landläufiger Sprache, die aber notwendig ist, wenn ein bestimmter (Vernunft-) Zweck möglich sein soll. Wel-cher Art der Zweck sei - ob materieller, logischer, ästhetischer, spiritueller -, ist an dieser Stelle ohne Belang; entscheidend ist, dass er verfolgt werden muss, um in irgendeiner Weise 'wirklich' zu sein. Verfolgt werden heißt: bestimmt werden, real und ideal. Das Bestimmen eines Unbestimmten ist immer ein Suchen - indem ich Einem ein Anderes entgegensetze und für das eine oder andere mich entscheide - so lange, bis es passt.

Der Inbegriff aller vernünftigen Zwecke ist das Wahre oder Absolute. Es ist ein Unend-liches, denn es ist nie zu erschöpfen, sonst wäre es nicht absolut. Es wird anschaulich, wird etwas, wird wirklich nur als Suche, beschreiben lässt es sich nur als Handlungsanwei-sung: Jetzt tu dies, jetzt tu das - in jedem Moment neu.

*) Grundlegung zur Metaphysik der Sitten, A/B 121




Gelten ist eine logisch-praktische Bestimmung. Gelten heißt gelten Sollen. Das Absolute ist der Inbegriff von allem, was gelten soll. Insofern sind Vernunft und das Absolute Wechselbestimmungen, sie erklären sich gegenseitig, und eine so unendlich wie die ande-re: Was es ist, das jeweils gelten soll, ist jederzeit neu zu bestimmen; doch unter der Vor-gabe, alles, was bestimmt wurde, zur Übereinstimmung zu bringen. Sie macht Vernunft, das Wahre und das Absolute aus, und es gibt sie nur als Suche. 
15. 8. 18

Nota II. - Wenn ich dem Absoluten eine Namen geben wollte - was ich nicht dürfte, ohne dass seiner Absolutheit Eintrag geschähe -, würde ich sagen müssen: Geltung an sich. Eine solche 'gibt es' natürlich nicht. Es gibt in der intelligiblen Welt dieses und jenes, was gilt. Geltung 'an sich' ist nur eine Reflexionsbestimmung: Geltung von Geltendem. So dürfte ich das Absolute denn doch nennen - denn es wird dadurch weder eingeschränkt noch bestimmt oder gar objektiviert, sondern lediglich daran erinnert, dass es nicht in die sinnliche Welt gehört. Es bezieht sich auf die Zwecke von Handlungen in der Sinnenwelt; die Handlungen werden objektiv, die Zwecke bleiben, was sie immer waren: geltend.
JE



 

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