Samstag, 25. Februar 2023

Bedingt notwendig.

Stihl024, pixelio.de         aus Wissenschaftslehre - die fast vollendete Vernunftkritik

So gewiss also ein Ich gesetzt werden soll, so gewiss muss ein Nichtich mitgesetzt werden. ... 

Es ist etwas für das in unserer Betrachtung sich setzende Ich Vorhandenes. Das sich setzemde Ich findet es. Es findet es nicht als Produkt seiner Freiheit, sondern der Notwendigkeit, die aber eine bedingte ist und nur darum stattfindet, weil das Ich sich erst gesetzt hat. ...

Der Begriff des Nichtich ist kein Erfahrungsbegriff, er lässt sich nur aus der Handluing ableiten, durch die es konstruiert wird. Das Nichtich ist ein bloß Gesetztes, etwas, das durch bloßes Sein bestimmt wird. (Tiefer unten wird der Begriff des Seins aus dem Begriff der Tätigkeit, der nicht weiter erklärt werden kann, abgeleitet werden.)
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J. G. Fichte,
Wissenschaftslehre nova methodoHamburg 1982, S. 37 


Nota. - Die Denkfigur des bedingt-notwendig ist Grund-legend für die Wissenschaftslehre.

Transzendentalphilosophie ist Vernunftkritik. Die Gegebenheit, das Positive, von dem die Wissenschaftslehre ausgeht, ist die Vernunft; die Tatsache, dass seit dem 17. Jahrhundert die Vernünftigkeit aller Verkehrenden als verbindende Grundlage und Bedingung des Verkehrs Aller mit Allen gilt.

Die Kritik will wissen, ob und wie die Gültigkeit der Vernunft begründet und gerechtfertigt ist. Da sie als einziges Werkzeug selbst nur über die Instrumente der Vernunft verfügt, muss sie gewissemaßen hinter ihren Schatten springen: 'sich selbst bei ihrer Entstehung zusehen'. Um ihr bei ihrem tatsächlichen Aufkommen in der menschlichen Geschichte zuzusehen, ist es zu spät - und wäre seinerseits in den Resultaten verfangen, die sie erst noch rechtfertigen will. Es muss daher im Modell re-konstruiert werden, 'wie es gewesen sein muss' - nämlich nicht den kontingenten Tatsachen, sondern dem notwendigen Sinne nach.

Kant hatte begonnen, das Instrumentarium der Vernunft zu inventarisieren. Aber er war bei dem stehen geblie- ben, was er das Apriori nannte. Fichte ist seinen Weg weiter gegangen. Er hat alle näheren Bestimmungen aus der Forschritten der Vernunft 'rückgängig gemacht' und aus den Vernunftbegriffen abgezogen, um schießlich auf den Schluss-, d. h. den Ausgangspunkt zu stoßen, von dem nichts weiter abstrahiert werden kann - das sich selbst (auseinander) setzende Ich. 

Von da an geht die Reise zurück: Es wird rekonstruiert, 'wie es gewesen sein muss', als das Ich Schritt für Schritt das ganze System der Vernunft aus sich hervorgebracht hat. Es ist keine Konstruktion mit Lineal und Zirkel aus dem terminus a quo, sondern ein Aufsuchen des rechten Wegs zu einen terminus ad quemDie Notwendigkeit, die hier stattfindet, ist keine kausale, sondern eine teleologische. Bedingt nicht aus ihrem Ursprung, sondern auf ihren Zielpunkt hin. Es ist das Paradox einer Notwendigkeit aus Freiheit.

JE, 10. 6. 18

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