Sonntag, 19. März 2023

A priori, a posteriori: der Kern der kritischen Philosophie.

 Kathrin Brechbühler, pixelio.de                                                  aus Philosophierungen

Wirkliches Wissen ist natürlich immer a posteriori. Das hat Kant nicht bestritten. Er hat seine Unterscheidung nicht naturalistisch gemeint - so als gäbe es ein biologisch veranker-tes Vermögen der "apriorischen" und eines der "aposteriorischen" Erkenntnis.* Das wirk-liche, empirisch konstatierbare 'Erkennen' ist immer nur Eines; hic et nunc. Aber in dem Moment, in dem ein Erkenntnisakt stattfindet und sich auf ein vorfindliches Etwas be-zieht, sind im Subjekt immer schon eine ganze Reihe von Prämissen angesammelt, die Form und Gehalt der neuen Erkenntnis präfigurieren. Das ist die sozusagen 'phänomena-le' Ausgangslage.

Die "transzendentale" Fragestellung ist rein kritisch: Wissen kann nicht zustande kom-men, indem 'Information' aus dem Objekt quasi wie ein Postpaket "abgeht" und im Sub-jekt wie in einem Behältnis "ankommt". Dann müsste man sich das Objekt als einen 'Ab-sender' vorstellen - und also selber als ein Subjekt. Subjekti(vi)tät muss also als das Priori-täre - das, was a priori 'da' ist - vorgestellt werden. 'Objektität' ist dann das, was sekundär - a posteriori - 'hinzu' kommt. In der Realgeschichte des empirisch vorfindlichen Wissens müsste man gedanklich alles Objektive nach und nach 'abtragen' können und am Ende auf das 'rein Subjektive' stoßen: dasjenige, dem
keine Begegnung mit Objektivem voraus gegangen ist, sondern selbst das eigentlich Agile (=dasjenige, von dem die 'Bewegung' aus ging) war. Was jeweils als 'a priori' und was als 'a posteriori' erscheint, hängt von der Refle-xionsebene ab.

Am untersten Ende der Analyse, auf der "transzendentalen" Ebene, wo von allem Gegen-ständlichen schon abstrahiert wurde, bleiben der analysierenden Intelligenz nur die "Ver-mögen" übrig; aber nicht als etwas, das man (als 'gegenständlich') angetroffen hat (und im psychologischen Test nachweislich ist), sondern als etwas, das man schlechterdings anneh-men muss: denn da 'Erkenntnis' offenkundig geschieht, muss man notwendiger Weise an-nehmen, dass es ein 'Vermögen' dafür gab!

(Bei Kant sind es drei; die 'reine', theoretische und die 'praktische' Vernunft sowie die Ur-teilskraft. Die Frage, ob es sich vielleicht nur um verschiedene Modi, verschiedene 'Seiten' des einen Grundvermögens handelt, hat er sich zwar gestellt, aber bearbeitet hat er sie nicht mehr.)
aus e. online-Forum; in 2007

*) und schon gar nicht, als gäbe es 'von Natur' zwei Klassen von Gegenständen: die apri-orischen und die aposteriorischen...



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Bestimmt, unbestimmt, bestimmbar; setzen, abstrahieren.

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