Dienstag, 25. Oktober 2022

Bestimmung.

                                                                            aus Marxiana

Einer der verwirrendsten Termini des dialektischen Jargons ist die Bestimmung. Zu sy-stematischer Verwendung kommt er erst bei Fichte - im alten scholastischen Sinn von determinatio. Die doppelte Bedeutung von dem, wozu etwas bestimmt ist, und dem Akt, durch den etwas bestimmt wird, hatte er schon immer. Ist aber das, wozu eines bestimmt ist, auch das, als was es bestimmt ist? Die Frage kommt erst im Deutschen auf - im Latei-nischen war's dasselbe. Auf Deutsch kann man dann determinatio auch als destinatio auf-fassen, und rein semantisch ist das garnichtmal falsch...

Bei Fichte kommt nun hinzu, dass eine Bestimmung an sich nicht mehr denkbar ist. Das könnte nur eine Bestimmung durch den Schöpfer sein, doch die gehört nicht in die Philo-sophie. Ein Bestimmer muss allenthalben hinzugedacht werden. Der Panplagiarius Hegel führte das Ansich hintenrum wieder ein, und nun ist die Verwirrung komplett. Marx hat größte Mühe, sich daraus hervorzuarbeiten, aber es wird ihm gelingen.

Bis dahin ist auch seine Wortwahl gelegentlich verwirrend.



Bestimmung, Zweck und Absicht.
 
 
So weit das Capital nur noch [=erst noch] in seinen Elementarformen, als Waare oder Geld, auftritt, tritt der Capitalist in den bereits bekannten Charakterformen des Waarenbesit-zers oder Geldbesitzers auf. Deßwegen sind aber letzre an / und für sich eben so wenig Capitalisten, als Waare und Geld an und für sich Capital sind. Wie auch diese sich nur unter bestimmten Voraussetzungen in Capital, so verwandeln sich Waaren- und Geldbe-sitzer nur unter denselben Voraussetzungen in Capitalisten.

Ursprünglich trat das Capital als Geld auf, das sich in Capital verwandeln soll, oder das nur noch δυνάμει nach Capital ist.

Wie einerseits von den Oekonomen der blunder gemacht wird, diese Elementarformen des Capitals – Waare und Geld – als solche mit dem Capital zu identificiren, so andrerseits der blunder die Gebrauchswerthexistenzweise des Capitals – die Arbeitsmittel – als solche für Capital zu erklären.

In seiner ersten provisorischen (so zu sagen) Form als Geld (als Ausgangspunkt der Capi-talbildung) existirt das Capital nur [=erst] noch als Geld, also als eine Summe von Tausch-werthen in der selbstständigen Form des Tauschwerths, seinem Geldausdruck. Aber dieß Geld soll sich verwerthen. Der Tauschwerth soll dazu dienen mehr Tauschwerth zu schaf-fen. Die Werthgrösse soll wachsen, d. h. der vorhandne Werth sich nicht nur erhalten, sondern ein increment, Δ Werth, einen Mehrwerth setzen, so daß der gegebne Werth – die gegebne Geldsumme als fluens, und das Increment als Fluxion sich darstellen. Wir kommen auf diesen selbstständigen Geldausdruck des Capitals zurück bei Betrachtung seines Circulationsprocesses. 

Hier, wo wir es mit dem Geld nur noch zu thun haben als Ausgangspunkt des unmittel-baren Productionsprocesses reicht eine einzige Bemerkung hin: Das Capital existirt hier nur noch als eine gegebne Werthsumme = G (Geld); worin aller Gebrauchswerth ausge-löscht ist, daher in der Form des Geld
 
[sic]. Die Grösse dieser Werthsumme ist begrenzt durch die Höhe oder Quantität der Geldsumme, die sich in Capital verwandeln soll. Diese Werthsumme wird also dadurch Capital, daß ihre Grösse sich vergrössert, daß sie sich in eine wechselnde Grösse verwandelt, daß sie von vorn herein ein Fluens, das eine Fluxion setzen soll. 

An sich ist diese Geldsumme erst Capital, d. h. ihrer Bestimmung nach, weil sie in einer Weise angewandt, verausgabt werden soll, die ihre Vergrösserung zum Zweck hat, weil sie zum Zweck ihrer Vergrösserung verausgabt wird. Erscheint dieß mit Bezug auf die vor-handne Werth- oder Geldsumme als ihre Bestimmung, ihr innerer Trieb, Tendenz, so mit Bezug auf den Capitalisten, d. h. den Besitzer dieser Geldsumme, in dessen Hand sie die-se Function untergehen [sic] soll, als Absicht, Zweck

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K. Marx, Ökonomisches Manuskript 1863-1865, MEGA II/4.1, S. 
51f.


Nota. - Hier geht der Hegelsche Jargon nahtlos über in eine dynamische, anschaulich-dialektische Darstellung, in der das wollend tätige Subjekt zum Vorschein kommt. Auf der einen Seite: An sich, δυνάμει, als solche, innerer Trieb, Tendenz. Auf der andern Seite: Absicht, Zweck. Dazwischen vermittelnd: zuerst Bestimmung im Sinne von Bestimmt-heit; dann: fluens, Fluxion; und schließlich: Bestimmung als sollen, sollen, sollen. An-schaulich wird die Darstellung, indem man sehen kann, wer oder was bestimmt, was da geschehen soll: ein absichtsvoll Tätiger; und nicht ein hintergründiges 'Wesen', das ledig-lich 'in Erscheinung' tritt.
JE




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