Mittwoch, 24. Dezember 2025

Subjektobjekt, oder Das Beabsichtigte und das Gefundene.

  aus Wissenschftslehre - die fast vollendete Vernunftkritik
 
Wir haben oben gesehen: Auf der Notwendigkeit des Entgegensetzens beruht der ganze Mechanismus des menschlichen Geistes; die Entgegengesetzten sind ein und dasselbe, nur angesehen von verschiedenen Seiten. Das Ich, welches in dem Beabsichtigten liegt, und das NichtIch, welches in dem Gegebenen liegt, sind ein und dasselbe. Es sind nur zwei unzer-trennliche Ansichten darum, weil das Ich Subjekt-Objekt sein muss. Aus letztem Satze geht alles hervor.

Aus der ursprünglichen Anschauung entstehen zwei Reihen, die subjektive oder das Beab-sichtigte und das Objektive oder das Gefundene; beide können nicht getrennt werden, weil sonst keine von beiden ist. Beide Ansichten desselben, subjektive und objektive, sind bei-sammen, heißt: Sie sind nicht nur in der Reflexion unzertrennlich, sondern sie sind auch als Objekte der Reflexion eins und dasselbe. Die Tätigkeit, die in sich zurückgeht, welche sich selbst bestimmt, ist keine andere als die Bestimmbare, es ist dieselbe und unzertrennliche. 

Das NichtIch ist also nichts anderes als eine andere Ansicht des Ich. Das Ich als Tätigkeit betrachtet gibt das Ich, das Ich in Ruhe betrachtet das NichtIch. Die Ansicht des Ich / als Tätiges kann nicht stattfinden ohne die Ansicht des Ich als [eines] Ruhenden, d. h. Nicht-Ich. Daher kommts, dass der Dogmatismus, der das Ich nicht in Tätigkeit denkt, gar kein Ich hat. Sein Ich ist Akzidens des NichtIch. Der Idealismus hat kein NichtIch, das NichtIch ist ihm nur eine andere Ansicht des Ich. Im Dogmatismus ist das Ich eine besondere Art vom Dinge, im Idealismus das NichtIch eine besondere Weise, das Ich anzusehen.
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J. G. Fichte, Wissenschaftslehre nova methodo,  S. 42f.  
 

 
Nota. - Man findet nur, was man hineingetan hat.
JE 


 
Nota. Ich habe lange nach einer passenden Illustration gesucht, aber nichts gefunden. Da habe ich schließlich ein Bild bloß nach Schönheit ausgesucht. Beabsichtigen Sie gar nicht erst, einen tieferen Sinn darin zu finden.

Übrigens gehört mir dieses Foto nicht, ich habe es im Internet gefunden. Wenn Sie der Eigentümer sind und seine Verwendung an dieser Stelle nicht wünschen, bitte ich um Nachricht auf diesem Blog. JE

Dienstag, 23. Dezember 2025

Der Sinn der Welt.

                                                              aus Philosophierungen
 
Der Sinn der Welt ist, dass Vernunft in ihr verwirklicht wird.
Das sagt über die Vernunft fast mehr als über die Welt.
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Ist es nicht merkwürdig, dass für die Philosophie Vernunft schon so lange kein Thema mehr ist? Am Beginn des modernen Zeitalters war sie ihr Anfang und ihr Ende.
31. 8. 13


Nachtrag. Das fast würde ich heute streichen. Vernunft ist das, was in der Welt verwirklicht werden soll; das sagt über beide genug, aber das ist für jene mehr als für diese.
21. 5. 20

Die Welt ist mehr um der Vernunft willen da, als jene für sie. 
(In der Vorstellung, versteht sich.) 
JE
 

Nota.
Das obige Foto gehört mir nicht, ich habe es im Internet gefunden. Wenn Sie der Eigentümer sind und seine Verwendung an dieser Stelle nicht wünschen, bitte ich um Nachricht auf diesem Blog. JE 

Montag, 22. Dezember 2025

Der Sinn der Welt, II.

photoseed                       zu  Wissenschaftslehre - die fast vollendete Vernunftkritik 

Die Welt selbst hat keinen Sinn. Umgekehrt. Indem ich ihnen einen Sinn hinzu erfinde, wird aus den Erscheinungen überhaupt erst eine Welt, und wenn nicht, dann nicht. Kann ich es also auch bleiben lassen? 

Die Welt wird erst, indem ich ihr einen Sinne anerfinde. Der Sinn der Welt ist, dass ich in ihr mein Leben führen muss. Auf einen Sinn der Welt kann ich nicht verzichten, ich ver-zichtete denn darauf, mein Leben zu führen. Das Paradox: Ich mag wohl mein Leben nicht führen (sondern, sagen wir, mein Bedürfnis befriedigen). Allerdings kann ich mein Leben nicht nicht-führen wollen. Sobald ich will (und sobald ich überhaupt Ich denke), setze ich voraus, dass da ein Sinn ist; und ich ihn realisiere, indem ich etwas will. 

Ob das Leben einen Sinn hat, ist das pari von Pascal. Ich werde es darauf ankommen lassen müssen. Indem ich nach einem Sinn (überhaupt erst) frage, habe ich den Hauptteil der Ant-wort schon mitgegeben. Und andersrum: Der Sinn des Lebens besteht darin, dass ich nach ihm frage (und sobald ich mich bei einer Antwort beruhige, habe ich ihn schon wieder ver-loren).
aus e. Notizbuch, 11. 9. 03

 

Welt ist der bestimmte Gegensatz von Ich. Sie können nur miteinander vorgestellt werden. Sofern die Welt unbestimmt offen ist, ist das Ich unendlich bestimmend; das eine bedeutet das andere. In der Wirklichkeit kommen beide Vorstellungen miteinander erst im Vernunft-zeitalter der bürgerlichen Gesellschaft auf. Eine geistesgeschichtliche Betrachtung wird die eine als die Voraussetzung der anderen erkennen, eine materiale Geschichtsauffassung macht es umgekehrt. 

Logisch spielt das keine Rolle, historisch ist es sowohl-als-auch und daher unentscheidbar; genetisch würde man sagen: Man konnte den einen Schritt nicht ohne den andern tun; je-denfalls nicht auf die Dauer. Dauer gehört aber zur wirklichen Welt von Raum und Zeit: Sie ist die fortschreitende Tätigkeit wirklicher Menschen. Sinn ist ihre strittige Vorstellung da-von. 

*

Was ich war, was ich bin, was ich geworden bin, ist kein Sinn, sondern datum - "gegeben". Sinn ist aber nicht gegeben, sondern auf gegeben: nicht, was ich "bin", sondern was ich wer-den soll, indem ich tue. Sinn ist nicht faktisch, sondern problematisch.

    

Sonntag, 21. Dezember 2025

Wissenschaftlich ist Philosophie nur als Kritik; positiv nur als Dichtung.

König David spielt                                                          aus Philosophierungen

Aus einem online-Forum, im Februar 2010:

... Von der Philosophie habe ich, anders als Sie, keine Idee, sondern einen Begriff. Ich sage: Philosophie ist, sofern sie Wissenschaft sein kann (oder will), lediglich negativ und kritisch. Das Feld des Positiven hat sie den Realwissenschaften (zu) überlassen - seit Kant.

Sie leistet aber damit nicht das, wofür sie vor zweieinhalb tausend Jahren erfunden worden ist: den Sinn des Lebens entdecken. Sondern nur dies: immer und immer wieder neu darzu-legen, dass der Sinn des Lebens (oder "der Welt" oder wie man das immer nennen will) aus keinerlei positivem Befund heraus zu lesen ist, sondern als Problem, als Aufgabe, als Frage der praktischen Lebensführung anheimgegeben ist.

Letztere Formulierung wird der eine ohne andere mit "existenzialistisch" beschreiben wol-len, und das wollte ich nicht einmal zurückweisen. Zurückweisen würde ich allerdings, wenn er das nutzt für den Folgesatz: "Das ist doch aber auch Philosophie!"

In einem strengen, und das heißt: wissenschaftlichen Sinn ist das keine Philosophie. 'Wis-senschaftlich' bedeutet nicht: Gegenstand + Methode. Die sind beide sekundär, abgeleitet nämlich aus der wesentlichen Bestimmung: Wissenschaftlich ist das Verfahren, das nur die Bestimmungen gelten lässt, die auf die Tragfähigkeit ihrer Gründe erfolgreich geprüft wur-den. Darin hat Plato die Anstrengungen seiner griechischen Vorgänger zusammengefasst (êpistêmê versus dóxa).

Überprüfen der Gründe, das ist Kritik, und die radikale, weil unendliche Kritik ist Öffent-lichkeit. (Das ist ganz wurscht, ob die Wissenschaftler selber diesen 'kritischen' Begriff von Wissenschaft haben; denn kritisieren werden sie den lieben Kollegen so wie so.)

Der springende Punkt: Eine wie immer geartete Aussage über den Sinn der Welt und des Lebens wird nie... zu begründen sein, denn dann müsste sie irgendwann auf einen letzten Grund stoßen, der seinerseits nicht mehr begründet ist; der aber aus eben demselben 'Grund' nicht gelten kann - weil er eben nicht... begründet ist.

Langer Rede kurzer 'Sinn': Der Sinn der Welt pp. kann nicht (wissenschaftlich) bewiesen, sondern allenfalls (sofern man ihn will!!) behauptet werden. Das geeignete Medium seiner Darstellung ist nicht der (Begriffe folgernd miteinander verknüpfende) Diskurs, sondern die bildliche Anschauung: ist nicht Logik, sondern Ästhetik. (Lässt sich noch viel weiter ausfüh-ren...)

Ob dieses Genre, zu dem ich auch einiges beizutragen hätte, dann "Lebensphilosophie", "Philosophie der Tat" oder ähnlich genannt werden darf, ist einen Streit nicht wert. Ent-scheidend ist, welchem Zweck die Philosophie, 'sofern sie wissenschaftlich ist', nämlich die kritische, eigentlich dient; d. h. welchen 'Sinn' sie hat. Es ist, wie immer die Antworten je-weils ausfallen, Meta-Philosophie - ein Denken, Reden, Meinen über die Philosophie.

Als Motiv liegt sie der Philosophie 'zu Grunde'. Ausführen lässt sie sich allerdings erst, wenn die Philosophie ihre wissenschaftliche, weil kritische Arbeit vollendet hat. Der Anfang muss sich als Ende behaupten.


Samstag, 20. Dezember 2025

Irr-Licht.

                                                    zu Philosophierungen

Der Begriff ist ein Glühwürmchen. Kriegst du ihn zu packen, verglimmt er dir in der Hand.
Ein gedachter Punkt in einem Übergehen.

 

Freitag, 19. Dezember 2025

Der Begriff bestimmt mein Begreifen.

  flickr                                                zu  Wissenschaftslehre - die fast vollendete Vernunftkritik

Das Bestimmte, zu dem übergegangen wird, ist der Begriff eines bestimmten Dinges, aber ich selbst bin auch bestimmt in diesem Begriffe, weil das Quantum dieses Begreifens mei-nen Zustand ausmacht.
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J. G. Fichte,  Wissenschaftslehre nova methodo, Hamburg 1982, S. 103


Nota I. - Nicht nur ich bestimme den Begriff. Der Begriff bestimmt auch mich, indem er das Maß meines Begreifens bestimmt.

21. 6. 15

Nota II. - Ich setze mich, indem ich mir ein Nicht-Ich entgegen setze, dem ich mich entge-gensetze. Ich bestimme mich, indem ich mich als den Andern des Andern bestimme: 'Mich-selbst-bestimmen' ist möglich nur durch Entgegensetzen. Ich kann daher den Begriff nicht bestimmen, ohne mich ipso facto mit zu bestimmen; freilich erst nach dem 'Quantum', in dem er selbst bestimmt ist.  

Merke: Ich kann mich oder sonstwas nicht an sich setzen, sondern nur als Vorlauf des Be-stimmens. Setzen ist noch nicht Bestimmen? Nun ja. Setzen ist Nochnicht bestimmen.

Nota III. - Bei Fichte "schwebt alles"? Es ist tatsächlich nichts ein für allemal festgestellt. Das kommt daher, dass in der Wissenschaftslehre keine Begriffe aneinander gereiht werden: Der Begriff ist wohlgetroffen, sobald seine Definitionsmerkmale erfüllt sind, "da beißt die Maus keinen Faden ab". Es werden vielmehr - da ja das Vernunftsystem, in dem eine dis-kursive Begriffswirtschaft möglich wäre, überhaupt erst entworfen werden soll - die Vor-stellungen aus einander hervorgebracht, aus denen eine tätige Vernunft, nämlich die Reihe vernünftiger Wesen entstehen kann. Vorstellen ist tätig sein, das Übergehen selbst ist das Reale, nicht die einzelnen Momente, die die Reflexion künstlich fixieren und abstrahieren könnte: Diese erst, die abstrahierten Momente sind, sofern sie miteinander in ein System gebracht werden, Begriffe.

Ja, es ist wahr: Im Verlauf der vorstellenden Tätigkeit schwebt alles.

10. 6. 20

Nota IV. - Das ist der Kerngedanke der ganzen Transzendentalphilosophie: Indem ich ein vorfindliches Anderes bestimme, bestimme ich mich selbst als das Andere dieses Andern. Anders ist ein Bestimmen von diesem, jenem und mir nicht möglich. Zur Identität gehört ihr Gegen stand. 
3. 2. 22

Nota V. - Ums ganz pointiert auszusprechen: Begreifen kann man nur Begriffe. 

Wenn ich 'Welt' für einen Begriff halte, muss ich sie als einen Oberbegriff auffassen: bis an den Rand angefüllt mit von ihm bestimmten Untergebriffen; ich muss zum Beispiel anneh-men, dass sie... einen Rand hat - und zugleich wechsel-rückbestimmt ist durch die in ihm versammelten Unterbegriffe. Ich müsste die Welt für ein fertiges System halten.

Und mir selbst muss ich vorkommen als wohin ich auch blicke von ihm bestimmter Wider-part; wohin ich auch blicke: nämlich bis wo eben mein Begreifen reicht. ...

Vernünftig ist es, weil ich so in unserer bürgerlichen Verkehrs-Welt zurecht finde; und ver-nünftig ist es auch, darin eine zweckmäßige Fiktion zu erkennen, die meinem irdischen Han-deln und Wandeln Orientierung gibt; die aber nicht mein Erkennen bestimmt, das mehr ist als Begreifen.
2. 8. 2024

Nota VI. - Das lässt sich auch kritisch wenden: Er begegnet mir immer fix und fertig. Mein Vorstellen mag immer noch mit Schweben beschäftigt sein, der Begriff ruft ihm zu: Ick bün all do; weitere Arbeit kannst du dir ersparen, es ist schon alles vollbracht. Das fertige Be-griffssystem verblödet den Denkenden, indem er ihm die Arbeit des Fortbestimmens erüb-rigt. Und umgekehrt: Wo immer das regellos freie Vorstellen weiter über den züchtigen Be-griff hinausgelangt war, ruft er ihm hinterher: Nicht so stürmisch! Immer schön eins nach dem andern. 

Wenn immer der Begriff dem fertigen Denken auch als sein kritisches Gewissen hinterher eilt, so war er dem sich verfertigenden Denken zuvor ein Stolperdraht auf dem Weg.

Bestimmtheit ist nur eine einstweilige Illusion. Real ist immer nur Schweben und Übergehn.
JE 

Donnerstag, 18. Dezember 2025

Realvermittlung und allgemeine Austauschbarkeit.

gettyimages                                                               aus Marxiana

Die Arbeitszeit selbst existirt als solche nur subjektiv, nur in der Form der Thätigkeit. In-sofern sie als solche austauschbar (selbst Waare) ist, ist sie nicht nur quantitativ, sondern qualitativ bestimmt und verschieden, kei-neswegs allgemeine, sich gleiche Arbeitszeit; son-dern entspricht als Subjekt ebensowenig der die Tauschwerthe bestimmenden allgemeinen Arbeitszeit, wie die besondren Waaren und Producte ihr als Objekt entsprechen. 

Der Satz von A. Smith, daß der Arbeiter neben seiner besondren Waare eine allgemeine Waare produciren muß, in andren Worten daß er einem Theil seiner Producte die Form des Geldes geben muß, überhaupt seiner Waare, soweit sie nicht als Gebrauchswerth für ihn, sondern als Tauschwerth dienen soll – heißt subjektiv ausgedrückt, weiter nichts, als daß seine besondre Arbeitszeit nicht unmittelbar gegen jede andre besondre Arbeitszeit ausge-tauscht werden kann, sondern daß diese ihre allgemeine Austauschbarkeit erst vermittelt werden, daß sie eine gegenständliche von ihr selbst verschiedne Form annehmen muß, um diese allgemeine Austauschbarkeit zu erlangen.
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K. Marx, Grundrisse, 
MEGA II/1.1 , S. 102 [MEW 42, S. 103] 


Nota. - Alfred Sohn-Rethel* hat damals bei den hegelisierenden Marx-Adepten des 68er-Aufgebots ein wenig Furore gemacht, indem er für den Wert den Ausdruck "Realabstrak-tion" kreiiert hat. Wäre er aber der Sache auf den Grund gegangen, dann hätte er für Markt, Konkurrenz und verallgemeinerten Austausch die Vokabel Realvermittlung finden müssen - was wenig originell ist und kaum Furore macht.
*) in Geistige und körperliche Arbeit. Suhrkamp, Frankfurt am Main 1970. 

JE, 23. 12. 16


Mittwoch, 17. Dezember 2025

Gesichter des Kapitals.

silber+silber                                                                                         aus Marxiana

Das eigentliche Product des Capitals ist der Profit. Insofern ist es jezt als Quelle des Reichthums gesezt. 

Insofern es aber Gebrauchswerthe schafft, producirt es Gebrauchswerthe, aber durch den Werth bestimmte Gebrauchswerthe: la valeur fait le produit. (Say.) Es producirt demnach für den Consum. Insofern es sich verewigt durch die beständige Erneurung der Arbeit, er-scheint es als der permanente Werth, vorausgesezt für die Production, die von seiner Erhal-tung abhängt. Soweit es sich stets von neuem gegen Arbeit austauscht, erscheint es als Ar-beitsfonds. Der Arbeiter kann natürlich nicht produciren ohne die gegenständlichen Bedin-gungen der Arbeit. Diese nun sind im Capital von ihm getrennt, stehn ihm selbstständig gegenüber. Er kann sich zu ihnen als Bedingungen der Arbeit nur verhalten, soweit seine Arbeit selbst vorher vom Capital angeeignet ist. 

Vom Standpunkt des Capitals erscheinen nicht die objectiven Bedingungen der Arbeit als nothwendig für den Arbeiter, sondern dieß, daß sie selbstständig ihm gegenüber existiren – seine Trennung von ihnen, ihre ownership durch den Capitalisten, und daß die Aufhebung dieser Trennung nur vor sich geht, indem er seine producirende Kraft an das Capital abtritt, wogegen dieß ihn als abstractes Arbeitsvermögen erhält, d. h. eben als bloses Vermögen den Reichthum als es selbst beherrschende Macht sich gegenüber im Capital zu reprodu-ciren. 
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K. Marx, Grundrisse, MEGA II/1.2, S. 686 [MEW 42, S. 711f.]  


Nota I. -  Das Kapital ist nicht dies oder vielmehr das; das Kapital ist das, als was es wirkt, und es wirkt als vielerlei. Es ist kein Ding, sondern ein Verhältnis. Es hat kein sachliches Substrat, das in Raum oder Zeit dingfest zu machen wäre. Jedem, der in dies Verhältnis tritt, zeigt es ein anderes Gesicht - je nachdem, woher er kommt. 

Nota II. - Es schafft Gebrauchswerte, aber durch den Wert bestimmte Gebrauchswerte: Gebrauchswerte, die zu solchen erst werden, wenn ihr Tauschwert realisiert ist; gesell-schaftlich bedingte Gebrauchswerte, gesellschaftlich als geltend anerkannte Gebrauchswer-te. Kaffee, der nicht verkauft werden kann, kippt man in den Ozean. 
27. 10. 16

Nota III. - Kapital ist sich verwertender Wert. Nur weil es in seinem Reproduktionspro-zess tausend Gesichter annimmt, kann es als universaler Vermittler fungieren. Und daher sein dialektischer Schein als Kern eines Systems.
JE

 

Dienstag, 16. Dezember 2025

Wie verhält sich die Wissenschaftslehre zur Logik?

René Burri                          zu Wissenschaftslehre - die fast vollendete Vernunftkritik

[65] Die Wissenschaftslehre soll für alle mögliche Wissenschaften die Form aufstellen. – Nach der gewöhnlichen Neigung, an der wohl auch etwas Wahres seyn mag, thut die Logik das gleiche. Wie verhalten sich diese beiden Wissenschaften, und wie verhalten sie sich insbesondere in Absicht jenes Geschäfts, das beide sich anmaassen?

Sobald man sich erinnert, dass die Logik allen möglichen Wissenschaften bloss und allein die Form, die Wissenschaftslehre aber nicht die Form allein, sondern auch den Gehalt ge-ben solle, so ist ein leichter Weg eröffnet, um in diese höchst wichtige Untersuchung einzu-dringen. In der Wissenschaftslehre ist die Form vom Gehalte, oder der Gehalt von der Form nie getrennt; in jedem ihrer Sätze ist beides auf das innigste vereinigt. Soll in den Sätzen der Logik die blosse Form der möglichen Wissenschaften, nicht aber der Gehalt liegen, so sind sie nicht zugleich Sätze der Wissenschaftslehre, sondern sie sind von ihnen verschieden; und folglich ist auch die ganze Wissenschaft weder die Wissenschaftslehre selbst, [66] noch etwa ein Theil von ihr; sie ist, so sonderbar dies auch bei der gegenwärtigen Verfassung der Philosophie jemandem vorkommen möge, überhaupt keine philosophische, sondern sie ist eine eigene, abgesonderte Wissenschaft, wodurch jedoch ihrer Würde gar kein Abbruch geschehen soll.

Ist sie dies, so muss sich eine Bestimmung der Freiheit aufzeigen lassen, mit welcher das wissenschaftliche Verfahren aus dem Gebiete der Wissenschaftslehre auf das der Logik übertrete, und bei welcher sonach die Grenze zwischen beiden Wissenschaften liege. Eine solche Bestimmung der Freiheit ist denn auch leichtlich nachzuweisen. In der Wissen-schaftslehre nemlich sind Gehalt und Form nothwendig vereinigt. Die Logik soll die blosse Form, vom Gehalte abgesondert, aufstellen; diese Absonderung kann, da sie keine ur-sprüngliche ist, nur durch Freiheit geschehen. Die freie Absonderung der blossen Form vom Ge-halte wäre es sonach, durch welche eine Logik zu Stande käme. Man nennt eine solche Ab-sonderung Abstraction; und demnach besteht das Wesen der Logik in der Abstraction von allem Gehalte der Wissenschaftslehre.

Auf diese Art wären die Sätze der Logik bloss Form, welches unmöglich ist; denn es liegt im Begriffe des Satzes überhaupt, dass er beides, Gehalt sowohl als Form, habe. (§ 1) Mithin müsste das, was in der Wissenschaftslehre blosse Form ist, in der Logik Gehalt seyn, und dieser Gehalt bekäme wieder die allgemeine Form der Wissenschaftslehre, die aber hier be-stimmt als Form eines logischen Satzes gedacht würde. Diese zweite Handlung der Freiheit, durch welche die Form zu ihrem eigenen Gehalte wird, und in sich selbst zurückkehrt, heisst Reflexion. Keine Abstraction ist ohne Reflexion; und keine Reflexion ohne Abstrac-tion möglich. Beide Handlungen, von einander abgesondert gedacht, und jede für sich betrachtet, sind Handlungen der Freiheit; wenn in eben dieser Absonderung beide aufein-ander bezogen werden, so ist unter Bedingung der einen, die zweite nothwendig; [67] für das synthetische Denken aber sind beide nur eine und ebendieselbe Handlung, angesehen von zwei Seiten.

Hieraus ergiebt sich das bestimmte Verhältniss der Logik zur Wissenschaftslehre. Die er-stere begründet nicht die letztere, sondern die letztere begründet die erstere: die Wissen-schaftslehre kann schlechterdings nicht aus der Logik bewiesen werden, und man darf ihr keinen einzigen logischen Satz, auch den des Widerspruchs nicht, als gültig vorausschicken; hingegen muss jeder logische Satz, und die ganze Logik aus der Wissenschaftslehre bewie-sen werden; – es muss gezeigt werden, dass die in der letzteren aufgestellten Formen, wirkliche Formen eines gewissen Gehaltes in der Wissenschaftslehre seyen. Also entlehnt die Logik ihre Gültigkeit von der Wissenschaftslehre, nicht aber die Wissenschaftslehre die ihrige von der Logik.

Ferner, die Wissenschaftslehre wird nicht durch die Logik, aber die Logik wird durch die Wissenschaftslehre bedingt und bestimmt. Die Wissenschaftslehre bekommt nicht etwa von der Logik ihre Form, sondern sie hat sie in sich selbst, und stellt sie erst für die mögliche Abstraction durch Freiheit auf. Im Gegentheil aber bedingt die Wissenschaftslehre die Gültigkeit und Anwendbarkeit logischer Sätze. Die Formen, welche die letztere aufstellt, dürfen in dem gewöhnlichen Geschäfte des Denkens und in den besonderen Wissenschaf-ten auf keinen anderen Gehalt angewendet werden, als auf denjenigen, den sie schon in der Wissenschaftslehre in sich fassen – nicht nothwendig auf den ganzen Gehalt, den sie dort in sich fassen, denn dadurch würde keine besondere Wissenschaft entstehen, sondern nur Theile der Wissenschaftslehre wiederholt werden, aber doch nothwendig auf einen Theil desselben, auf einen in und mit jenem Gehalt begriffenen Gehalt. Ausser jener Bedingung ist die durch ein solches Verfahren zu Stande gebrachte besondere Wissenschaft ein Luftge-bäude, so logisch richtig auch in derselben gefolgert seyn möge.[68]

Endlich, die Wissenschaftslehre ist nothwendig – nicht eben als deutlich gedachte, systema-tisch aufgestellte Wissenschaft, aber doch als Naturanlage – die Logik aber ist ein künstli-ches Product des menschlichen Geistes in seiner Freiheit. Ohne die erstere würde über-haupt kein Wissen und keine Wissenschaft möglich seyn; ohne die letztere würden alle Wissenschaften nur später haben zu Stande gebracht werden können. Die erstere ist die ausschliessende Bedingung aller Wissenschaft; die letztere ist eine höchst wohlthätige Er-findung, um den Fortgang der Wissenschaften zu sichern und zu erleichtern. ___________________________________________________________________
J. G. Fichte, Ueber den Begriff der Wissenschaftslehre oder der sogenannten Philosophie, §6  

 

Nota. - 'Die Wissenschaftslehre begründet die Logik' -? Olalà!

- Logik ist ja wohl ein Prädikat des Denkens: Man denkt log isch oder nicht. Menschen denken. Wenn also etwas dran ist am Anspruch der Wissenschaftlehre, das Denken zu erklären, dann begründet sie eo ipso das Logische daran. 

Doch verfährt sie nicht selber log isch? - Ihre Darstellung verfährt diskursiv, das ist wahr. Anders können wir nicht 'darstellen'. Aber sie stellt nicht das diskursive Verfahren dar, in-dem sie etwa Begriffe durch logische Folgerungen zu Sätzen verknüpfte. Sondern sie be-schreibt den Gang des Vorstellens in auseinander hervorgebrachten Bildern - schlecht und recht, mag man sagen, und darum ist auch niemand genötigt, ihre Beschreibung einzusehen. Sie zu ignorieren ist ein Leichtes und steht jedermann frei. Er wird dann eine ganze Menge Einsichten nicht haben können, doch auch das muss er ja nicht. Er kann allerdings, und das kann man ihm empfehlen, versuchen, den Gang dieser Bilder selber in sich hervorzubrin-gen, und wenn es ihm gelingt, wird er finden, dass er manches versteht, was ihm vorher rätselhaft war, besser gesagt: noch rätselhafter als nun. Und je öfter er es versucht, um so weniger rätselhaft wird es ihm vorkommen.
JE, 13. 10. 20

Subjektobjekt, oder Das Beabsichtigte und das Gefundene.

   aus Wissenschftslehre - die fast vollendete Vernunftkritik   Wir haben oben gesehen: Auf der Notwendigkeit des Entgegensetzens beruht ...