Montag, 8. Dezember 2025

Omnis determinatio…

 
Heinz Michael Möller                                                                                                         Wissenschaftslehre - die fast vollendete Vernunftkritik

Zu einem Diesen wird etwas erst, wenn ‘es’ aus dem gleich-gültigen Brei des Sich-von-selbst-Verstehenden herausgehoben wurde, indem es in Frage geriet. Omnis determinatio est affirmatio post interrogationem..
Mai 26, 2010 

Nachtrag.  Das gilt für den Bürger unserer realen Welt, nämlich für einen aus der Reihe vernünftiger Wesen. Für den gilt a priori, dass alles, was erscheint, eine Bedeutung schon hat - in seinem Begriff nämlich; und nach dem muss er gelegentlich erst fragen.

Anders für das Ich der Transzendentalphilosophie: Das muss die Begriffe durch Bestimmen des Unbestimmten erst hervorbringen. Bestimmen geschieht aber durch Entgegensetzen und das Ausscheiden eines der beiden zu Gunsten des andern. Es ist insofern ebenfalls Ne-gation - aber von einem zuvor Gesetzten. Der positive Akt, actus ponens, steht an erster Stelle, vorher keine Negatio noch Affirmatio.
28. 5. 20





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Sonntag, 7. Dezember 2025

Vorstellen oder bloß kombinieren.

                             zu Wissenschaftslehre - die fast vollendete Vernunftkritik

Die begriffs-logische Auffassung ist: Omnis determinatio est negatio.
Die vorstellungs-genetische Auffassung sagt, ein Unbestimmtes entsteht überhaupt erst durch Bestimmung – als das übrigbleibende Bestimmbare.

31. 10. 15


Das Sein und das Nichts, das Positive und das Negative, Tun und Nichtstun sind nicht on-tologisch gleichrangig. Zuerst muss etwas gesetzt worden sein, bevor es einer bestreiten kann. Die dialektische Bewegung geschieht nicht von allein; es muss sie einer angefangen haben - und immer wieder neu beginnen. Sie ist gar nichts anderes als ein immer-fort-Be-stimmen.
28. 5. 20



Nota.
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Samstag, 6. Dezember 2025

Der Geist.

                                                                         aus Philosophierungen

Der Geist führt einen ewigen Selbstbeweis.
____________________________________  
aus: Fragmente, Athenaeum, I. Bd., 2. Stück


Warum dieses? 
Weil ihn die Widerständigkeit der Dinge ohne Unterlass Lügen straft. Er kann sich nur als Kämpfer behaupten; ohne Unterlass und an jedem Ding neu.
1. 5. 20 
 


Nota.
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Freitag, 5. Dezember 2025

Die Absolutheit des Logischen.

                                                                   aus Philosophierungen

Das logische Denken ist entstanden als dasjenige Denken, das sich mitteilen lässt. Ist es ein Wunder, dass es so konzipiert, konstruiert wurde, dass es mitteilbar ist?

[Siehe Adorno vs. Husserl, Metakritik der Erkenntnistheorie,* S. 76ff.]

Nicht nur 'kann' jedermann anders als logisch denken; tatsächlich denkt jedermann anders als logisch! Nur - sobald er die Ergebnisse seines Denkens darstellen will - anderen oder auch nur sich selbst -, dann muss er sich dafür der Formen bedienen, die historisch vorrätig, "zuhanden" sind, und das sind die Begriffe und die Regeln ihrer diskursiven Verknüpfung. Also wenn ich die Ereignisse aus "meiner Welt" in "unserer Welt" situieren will, muss ich sie in deren Topographie einordnen.

*) Frankfurt/M., 1972
aus e. Notizbuch, 9. 10. 03



Eins haben der verschämte Platoniker Husserl und der unverhohlene Hegelianer Adorno gemein: dass ihnen das Material des Wissens die Begriffe sind; und wenn das für-wahr-Gelten des diskursiven Denkens nicht an sich ist - wie Husserl meint -, dann kann es nur historisch sein und an der nächsten Straßenecke womöglich dem Zufall erliegen. 

Das mag Adorno nun doch nicht zugestehen, "objektiv" soll die Geltung des Logischen wohl sein, wenn schon nicht, wie bei Husserl, "absolut"; "indem" sie nämlich "um Natur beherrschen zu können, dieser sich anmisst"**. Soll etwa, wie bei Descartes, das göttliche Naturgesetz uns die Geltung der Logik verbürgen, als ein "unbegreifliches und bloß hinzu-nehmendes An sich"? Nein, dahinter kann er sich nicht zurückziehen, und es kommt ihm die Ahnung, Garant für die objektive Gültigkeit der Logik müsse eine "über alles Dasein mächtige Forderung an das Subjekt" sein. - Doch von wem soll die kommen?

In der Wissenschaftslehre geht es nicht um Begriffe, sondern das in ihnen Gemeinte; sie verfährt nicht logisch, sondern genetischnicht: an-sich-seiende Begriffe werden aneinan-derfügt, sondern: Vorstellungen werden auseinander entwickelt. Ob ich sie entwickle, steht mir ja frei, aber wenn ich sie entwickle, muss ich sie so entwickeln. Und es findet (!) sich, dass die Menschen - das selbstbestimmte Subjekt unserer bürgerlichen Gesellschaft - ihre Begriffs-welt und ihre Schlussregeln wirklich entwickelt haben. - Während das für die his-torische Betrachtung ein lediglich zufälliges und für die logische Betrachtung ein bloß for-mal-faktisches Ergebnis bleibt, wird es in der Wissenschaftslehre genetisch notwendig.*** Die genetische Betrachtung ist eine materiallogische

Den Gedanken an ein real Absolutes, absolute Geltung gar, muss man sich aber aus dem Kopf schlagen. Gelten ist der Modus des Logischen, außerhalb des Logischen gibt es keine Geltung. Das diskursive Denken ist selber das Postulat, dass absolute Geltung sein soll; wer sich auf eine vernünftige Erörterung einlässt, unterwirft sich ihm ipso facto. Es gibt keinen Sprung aus der Immanenz.
**) ebd. S. 87 
***) In der Mathematik nennt man das, wenn ich nicht irre, eine vollständige Induktion. 
 
13. 1. 15



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Donnerstag, 4. Dezember 2025

Das intellektuelle Gefühl ist ein systemisches Analogon.

                                       zu Wissenschaftslehre - die fast vollendete Vernunftkritik  

Der Begriff des intellektuellen Gefühls wirkt in der Wissenschaftslehre wie nachträglich eingefügt und nicht aus den vorangegangenen Prämissen - als notwendig eingesehenen Vorstellungen - entwickelt. 

In der sinnlichen Erfahrung sind es die Widerstände der Dinge, die die reale vorstellende Tätigkeit nötigen, einen Weg zu beschreiten und einen anderen nicht zulassen. Wenn die ideale, lediglich intellektuelle Tätigkeit an Punkte gelangt, an denen dieser Weg angezeigt, ein anderer aber verbaut ist, ist ein Analogon zu den realen Widerständen der Dinge zu ver-muten. Auf dem beobachteten Weg der Vorstellungen ist er jedoch nicht 'in Erscheinung getreten'. Er kann daher nicht wie die realen Widerstände in Raum und Zeit liegen. 

Soll aber das ideale Quantum der Einbildungskraft schlechterdings frei sein, kann der Grund für das Nichtkönnen der Vorstellung nur in ihr selber liegen. Die negative Notwen-digkeit ist dann eine ebenso bedingte, wie die positiven Notwendigkeiten der sinnlichen Er-fahrung. Es kann nur so sein, dass in der Kette der vorangegangenen Vorstellungen eine Bestimmung mitgesetzt war, die von den darauf folgenden Vorstellungen nicht gelöscht werden kann. Wenn zum Beispiel in der wirklichen Vorstellung Raum und Zeit gesetzt waren, kann sie sie nicht nach Belieben nachträglich ungeschehen machen. 

Doch Raum und Zeit sind Charakter der sinnlichen Welt. Hier geht es aber um nicht mög-liche Bestimmungen in der intelligiblen Welt. Die liegt außerhalb von Raum und Zeit. Dass es keinen Punkt gibt, wo die negative Notwendigkeit - das Nichtdürfen - in Erscheinung tritt, liegt an der intelligiblen Welt selber.

Mit andern Worten: Aufgezeigt werden, nämlich so, dass er wie der Widerstand der Dinge im Gang der Vorstellung vorkommt, kann er nicht. Man kann einem, der widerspricht, nur zurufen: "Versuch's doch selbst, du wirst sehen: Es geht nicht." Doch wenn er zurückfragt "wieso nicht?" kann man ihm nichts antworten.

Genauer gesagt, bevor das System abgeschlossen ist, kann man nichts antworten. Danach kann man - muss man - antworten: Weil anders das System nicht stimmt. Es muss also das System nicht nur abgeschlossen, sondern als gültig anerkannt sein; wozu man keinen zwin-gen kann. 

Wie sagte doch einer? Was für eine Philosophie man wählt, hängt davon ab, was man für ein Mensch ist.

Man erinnere sich: Auch in der sinnlichen Erfahrung kommt der Widerstand der Dinge als solcher nicht vor: Auf ihn wird in der Anschauung lediglich aus dem Gefühl geschlossen. Dieser Schluss gilt freilich als natürlich: weil ihn Jeder macht, andernfalls könnte er sich in der Reihe vernünftiger Wesen nicht behaupten. Jenen andern Schluss macht nicht jeder, sondern nur, wer sich zu philosophieren entschlossen hat.
12. 12. 20

 

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Mittwoch, 3. Dezember 2025

Organische Digitalisierung.

 E. Muybridge
aus Tagesspiegel, 29. 11. 2025                                                                      zu Jochen Ebmeiers Realien

Jeder Mensch ist 90 Minuten pro Tag blind:
Das Gehirn macht öfter mal blau
„Augen aufmachen“, dann sieht man eins zu eins, was in der Welt passiert? Von wegen. Das Gehirn gaukelt uns nur vor, dass wir immer alles mitbekommen. Doch wir sind blinder, als wir denken.
 
 
Lust auf ein kurzes Experiment? Stellen Sie sich vor den Spiegel und schauen Sie abwech-selnd auf Ihr linkes und rechtes Auge. Genau: Obwohl Sie spüren, dass sich Ihre Augen abwechselnd nach links und rechts bewegen, ist die Bewegung der Augen im Spiegel nicht zu erkennen. Wie kann das sein?

Die Vorstellung, unsere Augen seien einfach nur Maschinen, mit denen wir eins zu eins die Realität abbilden, könnte falscher nicht sein. Denn Gehirn und Sehapparat gaukeln uns vieles nur vor.

Aus gutem Grund. Wären die Augen einfach nur Kameras, dann würde beim schnellen Bewegen der Augen von links nach rechts genau das passieren, was zum Beispiel bei Kameras im Eishockeystadion passiert, wenn sie dem rasend schnellen Puck folgen: Man sieht nur Schlieren, bis die Kamera wieder ruhig steht und den Puck im Tor zeigt.

Das wäre für Tiere, die sich und ihre Augen nun mal ständig durch ihre Umwelt bewegen müssen, extrem unpraktisch. Anders gesagt: Diejenigen überlebten, deren Gene sich so veränderten, dass sie das ständige Verschwimmen ihres Blickfeldes bei jeder Augenbewegung verhinderten. Und zwar, indem die Bildübertragung einfach kurz unterbrochen wird.

Während sich die Augen vor dem Spiegel von links nach rechts bewegen, schaltet unsere Wahrnehmung kurzzeitig ab, wir sind für etwa 20 bis 40 Millisekunden buchstäblich blind. Diese „Sakkaden“ genannten Unterbrechungen des Sehvermögens sind keineswegs selten: Bei schätzungsweise 15.000 Augenbewegungen pro Stunde haben Menschen pro Sekunde etwa ein bis vier Sakkaden.

Das bedeutet, dass jeder Mensch in jeder Stunde insgesamt rund 7,5 Minuten lang nichts sieht – ohne es überhaupt zu bemerken. Das Gehirn gaukelt uns kontinuierliches Sehen vor, obwohl unsere Wahrnehmung in Wirklichkeit kurz pausierte. Von einem Zwölf-Stunden-Tag fehlen uns also zusammengerechnet etwa 90 Minuten!

Wenn Sie den Versuch mit der Selfie-Kamera ihres Handys wiederholen, dann können Sie die Augenbewegung sehen. Denn anders als beim Spiegel braucht das Smartphone Bruchteile von Sekunden, bis das soeben von der Kamera aufgenommene Bild von Ihnen auf dem Bildschirm angezeigt wird.

In dieser Zeit ist die Sakkade, die kurzzeitige Blindheit, schon vorbei, sodass Sie die Augenbewegung, die Ihnen das Gehirn vor dem Spiegel „unterschlagen“ hat, nun sehen können

.

 

Nota. -  Mit andern Worten: Das Gehirn wechselt, ohne von jemandem darum gebeten worden zu sein, aus dem analogen in den digitalen Modus - geht aus der Anschauung zur Reflexion über. Präziser gesagt: aus dem sinnlichen Sehen eines Bildes zum intellektiven Überlegen. Der erst Schritt dahin ist das Zerlegen eines Szene in Einzelteile - digits - , aus denen sie zusammengesetzt erscheint. Der zweite Schritt: die einzelnen Teile wieder in eine ganze Gestalt fügen, in der das Verhältnis der Teile zueinander als deren Bedeutung aufge-fasst wird. Das Zerlegen ist ein rein mechanischer Akt, in dem sich das Subjekt erst noch als leidend - wiedergebend - verhält; während es im Wiederzusammensetzen tätig wird: Es ist diese Tätigkeit, die als sinngebend erfahren und zu einer Vorstellung wird.

Diese Tätigkeit wiederum kann er anschauen, weil er sie selbst ausführt - er erkennt darin die Absicht wieder, in der sie geschah.

Das ist das ganze Geheimnis der Symbolisierung. Ihre sachliche Bedingung ist der digitale Modus: die flüchtige Erscheinung in Einzelteile zerhäckseln, die zur Ruhe gebracht wurden, indem sie durch ein Zeichen identifiziert sind.

Das ist die geistige - logische - Repräsentation einer Handlungskette, die doch als in Raum und Zeit wirklich geschehen vorgestellt wird. Durch obige Untersuchung ist immerhin der erste Schritt in dieser Kette physiologisch dargestellt: das Zersetzen einer lebendigen Er-scheinung in stehende Bilder. Der zweite Schritt wäre, die Eintragung der angeschauten Absicht in das Zeichen physiologisch zu beschreiben. 

Bleibt also das Kern problem: die Bedeutung im Stoff zu verorten. 

Eine Absicht fassen - das, was tierische Intelligenz und menschlichen Geist unterscheidet - dürfte eine Leistung des Gehirns als Ganzes sein; ein systemischer Prozess sich verallgemeinernder Wechselwirkung, wo nicht diese oder jene Hirnregion beschäftigt ist und wo keine Ursache und keine Wirkung mehr zu identifizieren ist (vorher/nachher) und nur noch Zustände emergieren. Es ist anzunehmen, dass die empirische Hirnforschung hier ihr Ende findet.

Ohne Absicht hat ein Gehirn nichts, worauf es reflektieren kann.* Das Absehen auf... ist Anfang und Ende der Vernunft

Geist = Absicht, sagte Friedrich Schlegel. 

*) Auf bloße Fakten lässt sich nicht reflektieren - sie sind blind und stumm; genauso wenig lässt sich auf bloße Bedeutungen reflektieren; die sind nicht von dieser Welt. Reflektieren lässt sich auf Fakten, die einer Bedeutung unterzogen wurden. 
JE 

 

Dienstag, 2. Dezember 2025

Was heißt wissen?

 stock                                                         zu Philosophierungen

Ich weiß ist ein Akt, der der Reflexion zerfällt in ich urteile und dass. Das Urteilen ist die subjektive Seite: Ein anderes 'ich' mag anders urteilen. Aber Dass ist die objektive Zutat: Wer auch immer urteilt, urteilt so. Das Urteilen ist kontingent, aber das Urteil gilt. Das Ur-teilen erscheint der Reflexion als ein willkürliches Wählen zwischen gegebenen Geltungen.

Das ist, was Kant den dialektischen Schein nannte.

Denn in der Wirklichkeit von Raum und Zeit ist gegeben, dass nur in Urteilen etwas gilt; und sonst nicht. Aber auch nur dem Urteilenden.

Geltung ist ein Objektivum; gelten ist subjektiv. 

 

Montag, 1. Dezember 2025

Verkörperte Vernunft.

Leonardo                                                              zu Wissenschaftslehre - die fast vollendete Vernunftkritik

Auf ein bestimmendes Physisches wird also geschlossen, welches zugleich auch ein Be-stimmbares ist, welches demnach nicht gerade so handeln musste, sondern in seinem Be-stimmen ausgewählt hat von einer ins Unendliche verschiedenen Mannigfaltigkeit. Kurz, es ist eine physische Kraft wie die meinige, die bloß von der Freiheit abhängt und bloß von ihr bestimmt wird auf unendlich mannigfaltige Weise.

Ich denke sie, ich denke sie - wie alles - bestimmt als Quantum, als individuelle / Kraft. Zugleich erscheint sie mir als etwas Sinnliches im Raume. Also das Wirkende zu der Auffor-derung fällt mir notwendig aus als ein materieller, bechränkter Körper. Mein Denken der Vernunft außer mir ist sinnlich, ich denke so einen Körper nicht bloß, sondern realisiere ihn auch in der sinnlichen Anschauung, es ist damit Gefühl verknüpft, nämlich das der mir an-gemuteten Selbstbeschränkung. Dadurch wird eine sinnliche Gestalt durch Anschauung hingeworfen.

__________________________________________________________
J. G. Fichte, Wissenschaftslehre nova methodo, Hamburg 1982, S. 233f. 



Nota I. - Es geht hier um die 'Reihe vernünftiger Wesen', von der an mich die 'Aufforde-rung' zur Vernünftigkeit ergangen sein soll. Tatsächlich begegnen mir nur physische Indi-viduen, wie ich eines bin. Auf deren Vernünftigkeit konnte ich nur schließen - anschauen kann ich sie nicht. Der Vereinigungspunkt - 'Synthesis' - ist, dass ich in 'den Andern' eine physische Kraft erkenne wie die meine: als etwas Sinnliches im Raume; das indes allein von ihrer Freiheit abhängt, wie die meine von der meinen.

Ihre physische Kraft kann ich in ihren Handlungen anschauen. Dass ihnen wie mir Selbst-beschränkung angemutet ist - anzumuten ist? -, fühle ich: Das geschieht vor der Anschau-ung. 

Er steckt in einer Sackgasse. Er soll das Geistige in das Sinnliche hineinbringen, schafft es aber nicht. Da kommt ihm das Gefühl als Deus ex machina gerade recht; oder als asylum ignorantiae, wie die Scholastiker gesagt hätten. Er verniedlicht es zu einem terminologi-schen Problem, indem er sinnliches und 'intellektuelles' Gefühl unter dieselbe Kategorie zusammenfasst. Doch was er zur gefälligen Auflösung seinen Hörern selber überlässt, ist das Problem in all seiner Blöße: Wie kann es sein, dass wir bei aller Freiheit im Denken immer wieder an einen Punkt kommen, wo wir nicht anders können, als ebenso zu urtei-len? 

Bei sinnlichen Gefühlen hilft es oft, die Zähne zusammenzubeißen. Doch als schiere In-telligenz aufgefasst, habe ich gar keine Zähne.

8. 7. 18

Nota II. - Ja sehen Sie: Da hatte ichs noch nicht recht verstanden. Eines ist es, ein System zu entwerfen, und ein anderes, es als ein solches darzustellen. 'An sich' müsste das Gefühl am Anfang stehen: als die sachliche Bedingung allen Vorstellens. Von da an gäbe es aber keinen Übergang zum tätigen Vorstellen! Der Realist mag wohl das Vorgestellte aus 'den Dingen' selbst ableiten; nur zum Vorstellen selber gelangt er nie. Also muss eine pp. reali-stische (sic) Darstellung bei der Tätigkeit anfangen und nicht bei ihrem Gegenstand.

Noch krasser wird es bei der Aufforderung durch die Reihe vernünftiger Wesen. Genetisch wurde dargestellt, wie 'ein Ich' die Disposition zu vernünftigem Handel  'in sich aufgebaut' haben könnte. Doch wie käme es dazu, aus der Disposition zur Tat zu schreiten? Ex sponte sua hätte es dafür keinen Grund. Es musste schon ein Anstoß - une chiquenaude, sagte ein Spötter - hinzugekommen sein, sozusagen von außen. So wie in der aristotelischen Traditi-on der intellectus possibilis erst vom intellectus agens aus der dynamis zur energeia erweckt wird. 

Die scholastische Denkfigur verweist auf die tatsächliche Zweigleisigkeit der Fichte'schen Darstellung: die transzendentale Deduktion auf der Folie der anthropologischen Beschrei-bung - oder doch eher der anthropologischen Beschreibung vorm Hintergrund der trans-zendentalen Herleitung?

Wie immer dem sei: Ihre materiale Grundlegung konnte die Wissenschaftslehre erst in der Materialistischen Geschichtsauffassung finden.
25. 6. 21 

Nota III.Vergleiche hierzu Der logische Zirkel und seine historische Auflösung.
JE  

 

    

Sonntag, 30. November 2025

Absicht und Einfachheit.

K. Malevitch, Schwarzer Kreis, 1923                                   aus Philosophierungen
  
Einfachheit ist kein Attribut des Wirklichen. Im Gegenteil, auszeichnendes Merkmal der Erscheinungswelt ist - von den Eleaten bis Kant - das Mannigfaltige. Das Einfache 'gibt es' immer nur als Erzeugnis einer Denkarbeit. Es ist Ergebnis des Prozesses von Reflexion und Abstraktion. Es handelt sich wohlbemerkt um ein und denselben Prozess: Wer auf das Eine absieht, sieht dabei von dem Andern ab.

Das Ein/fache, das dabei zustande kommt, ist ein Ein/seitiges, gewiss doch: Es ist ja Resul-tat einer Absicht. Ist die Absicht gerechtfertigt, so ist es auch die dazu gehörige Einseitig-keit. Kritisch ist das Denken nicht, wenn es Einseitigkeit vermeidet; denn ohne Vereinfa-chung ist gar kein Denken. Sondern indem es die zu Grunde liegende Absicht ausspricht und ihre Berechtigung prüft. Rechtfertigen kann sich die Absicht aber wieder nur durch ihr Ergebnis.
6. 12. 13 
 
 

Samstag, 29. November 2025

Schrecklicher Vereinfacher.

  Mondrian  Composition No. II with Blue and Yellow                aus Philosophierungen 

Denken heißt vereinfachen.

Wir nehmen keine 'Dinge' wahr. Auf unser Sensorium prasselt ohne Pause eine Sturzflut aller erdenklichen Reize ein. Nicht alle werden wohl an die Zentrale weiter geleitet: Redun-danz betäubt. Und nicht alle kommen in der Zentrale an – weil die nämlich vorab schon filtert, was des Bemerkens wert ist und was nicht.
 
Noch bevor übrigens gedacht wurde. Die Stammesgeschichte hat unser Gehirn mit Regio-nen ausgestattet, die nur bei Homo sapiens vorkommmen – weil die dort verarbeiteten In-formationen für die Lebenswirklichkeit von Homo sapiens von Belang sind, aber für andere Lebensformen nicht. Und jeder von uns bringt eine ganze Masse von Verschaltungen zwi-schen den Regionen fix und fertig mit auf die Welt, teils als die materialisierte Kollektiver-innerung unserer Gattung, teils – und keiner weiß, in welchem Maße – als individuelle Erb-schaft. 

Sie alle sind mit Vereinfachung beschäftigt.

Aber nun erst das Denken selbst! Es handelt sich – nach der unwillkürlichen, genetisch vor-gegeben Auslese – um die willkürliche Anordnung der wahrgenommenen Gegebenheiten auf eine vorgängige Absicht hin. Nichts wird "nur so" wahrgenommen. Auch die zweckfreie ästhetische Betrachtung geschieht "um etwas willen" – um ihrer selbst willen, anders fände sie nicht statt. Für wahr wird nur das genommen, was in einem irgend erkennbaren Verhält-nis zur Absicht steht; und im Erkennen unerwarteter und verborgener Verhältnisse zeichnet sich Intelligenz aus (Humor
+Gedächtnis).

Das gilt für das alltägliche Denken des gesunden Menschenverstands nicht minder als für die Wissenschaft. Und namentlich die Philosophie. Man kann, ohne einen allzu großen Schnitzer zu riskieren, sagen: Philosophieren heißt vereinfachen. Die subtilen Distinktionen der Schulphilosophie sind nicht der Zweck des Philosophierens, sondern sein Mittel. Die historisch-philologische Arbeit bereitet der Philosophie 'nach dem Weltbegriff', wie Kant es nennt, das Material zu. Der Sinn ist immer: Ordnung in das Mannigfaltige bringen; festle-gen, was das Wichtige sein soll und was hintan gestellt werden darf. Und zwar so, dass im Idealfall eine einfache Frage übrigbleibt, die mit ja oder nein zu beantworten wäre. Es ist, in einem Akt, das Abstrahieren vom Zufälligen und das Reflektieren auf das Notwendige.
 
Eine Anwort auf eine philosophische Frage von Erheblichkeit kann erst dann richtig sein, wenn sie einfach ist. (Sie kann allerdings auch dann noch falsch sein.)

24. 7. 14 
 
 

Freitag, 28. November 2025

Schrecklicher Vereinfacher, II.

Klee                                                       aus Philosophierungen

Irritiert ist der philosophisch vorgebildete Leser durch die Schlichtheit meiner Darstel-lungen. Das soll Transzendentalphilosophie sein? Die ist doch berühmt und berüchtigt als eine Hirnfolter. 

Das ist sie aber bloß, weil sie notwendigerweise hinterher kam, als Kritik. Sie musste unter dem angehäuften Berg der Begriffe und ihrem dialektischen Schein die zu Grunde liegen-den Anschauungen* hervor holen. 

Nachher kann sie den gesunden Menschenverstand - sensus communis - wieder in seine Rechte einsetzen.
1. 10. 15 

*) Heute würde ich von Vorstellungen reden. 
 
 
 

Omnis determinatio…

  Heinz Michael Möller                                                                                                         Wissenschaft...